Messen schafft Gewissheit
Unter Mitwirkung so gut wie aller namhaften Firmen aus der Gewächshauszulieferindustrie wurde 2018 in Kooperation mit Glastuinbouw Nederland und dem Nederlands Normalisatie Instituut (NEN) der NEN2675 genannte Industriestandard neu formuliert. Dieser stellt eine Vergleichbarkeit der Messergebnisse der optischen Eigenschaften von Schirmtüchern, Coatings und Eindeckungsmaterialien sicher.
Gert-Jan Swinkels war Mitglied der Normierungskommission - es könnte also kaum jemand besser geeignet sein, zu erklären, was sich hinter der neugeschaffenen Maßeinheit Hortiscatter verbirgt, was genau den Unterschied zum Haze-Effekt ausmacht, wie stark diese Vergleichsmöglichkeit bereits genutzt wird, welche Erfahrungen die niederländischen Berufskollegen damit gemacht haben und wie sich diese Erfahrungen womöglich auch diesseits der deutsch-niederländischen Grenze nutzen lassen.
Ganz ohne Physik geht es nicht
„Warum ist die Messung der direkten Transmission, wie sie in der Vorgängerversion der NEN2675 festgeschrieben war, irreführend, wenn es um Unterglasgartenbau geht?“
„Nach dem früheren NEN2675 wird die direkte Transmission unter senkrecht einfallendem Licht gemessen. Dies ist jedoch ein Einfallwinkel, der im Unterglasgartenbau in Nordeuropa so gut wie nie vorkommt. Dazu kommt, dass das Licht, das die Pflanzen erreicht, sowieso weitgehend diffus ist. Das kommt unter anderem durch die Wolkendecke und macht in Nordeuropa etwa drei Viertel der eintreffenden Lichtmenge aus. Dies gilt insbesondere für die Wintermonate, wenn Licht der begrenzende Faktor für das Pflanzenwachstum ist.
Für klares unbeschichtetes Glas besteht eine lineare Beziehung zwischen der senkrechten Transmission und der halbkugelförmigen hemisphärischen Transmission. Um verschiedene Glastypen zu vergleichen, ist deshalb für klares unbeschichtetes Glas die Messung der senkrechten Transmission ausreichend. In den letzten Jahren ist jedoch viel diffuses und beschichtetes Glas auf den Markt gekommen und für diese Glasarten besteht keine eindeutige Beziehung zwischen der senkrechten und der halbkugelförmigen hemisphärischen Transmission.
Deshalb messen wir in Wageningen seit mehr als einem Vierteljahrhundert die hemisphärische Transmission: das Integral der Transmission bei allen Einfallswinkeln. Praktische Testreihen haben gezeigt, dass die hemisphärische Transmission des Glases ein guter Maßstab für die gemittelte Lichtsumme im Gewächshaus ist.“
Hortiscatter schafft Vergleichbarkeit
„Was bedeutet der Begriff Hortiscatter und wer hat ihn erfunden?“
„In den letzten Jahren hat die angewandte Forschung ergeben, dass diffuses Licht zu höheren Erträgen unter Glas führen kann. Es wurde auch gezeigt, dass diese Produktionssteigerung umso größer ist, je höher der Anteil diffusen Lichts ist. Dies hat mit der photosynthetischen Lichtreaktion zu tun: Je homogener das Licht auf den Kulturen auftrifft, desto höher ist die gesamte Photosyntheseleistung.
Bis zur Neuformulierung des NEN2675 wurde das Diffusionsvermögen von Glas nach dem ASTMD1003-Standard gemessen. Der dabei ermittelte Haze hat aber für hochdiffuses Gewächshausglas wenig Aussagekraft, da er eigentlich Kunststoffe und andere so genannte lichtstreuende Materialien beschreiben soll. Der Haze sagt auch nichts über die räumliche Verteilung der Streuung aus. Es gibt Materialien mit 100 % Trübung bei einer gleichzeitig sehr schlechten Lichtverteilung.
Um die Verteilung korrekt bestimmen und beschreiben zu können, hat WUR in Zusammenarbeit mit NEN und Vertretern aus dem Unterglasgartenbau den Hortiscatter eingeführt. Grundlage für den Hortiscatter ist die so genannte bidirektionale streuende Verteilungsfunktion. Diese misst die Lichtintensität bei jedem Ausfallswinkel unter einem Glas, also nicht nur, ob Licht diffus ist, sondern auch, in welchem Maß es diffus verteilt ist.
Da dies eine Matrix ist, die sich nicht so einfach interpretieren lässt, wurde ein Hortiscatter genannter Durchschnittswert entwickelt, der von 0 % für klares Glas bis zu 100 % für maximale Streuung reicht. Der Hortiscatter kann auch für Schirmtücher bestimmt werden und berücksichtigt auch relativ große Strukturen im Material.“
Hohe Praxisrelevanz
„Wer kann und darf diese Messungen durchführen und wäre es denn nicht eine gemeinsame sektorübergreifende Anstrengung wert, tatsächlich alle Schirm- und Eindeckungsmaterialien sowie Coatings diesem standardisierten Testverfahren zu unterziehen und die dabei ermittelten Werte dann in einer Datenbank öffentlich zugängig zu machen?"
„Jeder, der Geräte hat, die der NEN2675 entsprechen, kann die entsprechenden Messungen durchführen. Es wäre absolut wünschenswert wenn alle Hersteller gewissermaßen verpflichtend Messungen nach der NEN2675 durchführen würden. Letztendlich wurde dieser Industriestandard ja auch von der Industrie selbst aufgestellt. Es wäre geradezu fantastisch, wenn alle Produkte wie Schirm- und Bedachungsmaterialien sowie auch die verschiedenen Coatings durch unabhängige Testlaboratorien, am liebsten durch Testlaboratorien, die noch dazu dafür zertifiziert sind, getestet würden. Im Allgemeinen werden Testresultate ja vom jeweiligen Auftraggeber veröffentlicht. Wenn jeder Hersteller auf seinen Datenblättern diese Werte ausweisen würde, könnten die Gärtner die entsprechenden Produkte ohne viel Aufwand miteinander vergleichen.“
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Leon StrikAccount Manager |